Ernährung bei Kurzdarmsyndrom: Therapiekonzepte von Markus Masin

Das Kurzdarmsyndrom: Wenn die Resorptionsfläche nicht ausreicht

Das Kurzdarmsyndrom (Short Bowel Syndrome, SBS) ist eine komplexe Funktionsstörung, die durch den Verlust eines erheblichen Teils des Dünndarms verursacht wird. Die Folgen sind weitreichend: Malabsorption von Nährstoffen, Flüssigkeits- und Elektrolytverluste sowie metabolische Störungen, die ohne adäquate Therapie lebensbedrohlich werden können.

„Die therapeutische Herausforderung beim Kurzdarmsyndrom liegt in der Balance zwischen ausreichender Nährstoffversorgung und optimaler Nutzung der verbliebenen Darmfunktion“, erklärt der Ernährungsmediziner in seinen Fachbeiträgen. „Unser Ziel ist die intestinale Rehabilitation – also die Maximierung der Funktionsfähigkeit des Restdarms.“

Die Ursachen des Kurzdarmsyndroms sind vielfältig. Am häufigsten entsteht es durch ausgedehnte chirurgische Darmresektionen, etwa bei Morbus Crohn, mesenterialer Ischämie, Strahlenenteritis oder Tumorerkrankungen. Auch angeborene Darmfehlbildungen können zu einem Kurzdarmsyndrom führen. Die klinische Ausprägung variiert erheblich und hängt von mehreren Faktoren ab:

  • Länge und Lokalisation des verbliebenen Dünndarms
  • Vorhandensein der Bauhin-Klappe (Ileozökalklappe)
  • Erhalt oder Resektion des Kolons
  • Grunderkrankung und begleitende Komplikationen
  • Adaptationsfähigkeit des Restdarms

Besonders kritisch ist der Verlust des terminalen Ileums, der zu schwerwiegenden Malabsorptionen von Vitamin B12, Gallensäuren und fettlöslichen Vitaminen führt. „Die Lokalisation des Restdarms ist mindestens so wichtig wie seine Länge“, betont der Experte. „Die verschiedenen Darmabschnitte haben unterschiedliche Absorptionsfunktionen, die nicht ohne Weiteres kompensiert werden können.“

Ernährungstherapeutische Prinzipien nach Schweregrad

Die Ernährungstherapie beim Kurzdarmsyndrom muss individuell an den Schweregrad der Erkrankung, die anatomischen Gegebenheiten und die funktionellen Kapazitäten des Restdarms angepasst werden. Der Ernährungsspezialist unterscheidet drei Therapiephasen:

  1. Akutphase: Unmittelbar nach der Darmresektion mit massiven Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten
  2. Adaptationsphase: Zeitraum der intestinalen Anpassung mit allmählicher Funktionsverbesserung
  3. Erhaltungsphase: Langzeitmanagement nach Abschluss der wesentlichen Adaptationsvorgänge

„Die Therapieziele und -maßnahmen unterscheiden sich in diesen Phasen erheblich“, erläutert der Medizinwissenschaftler und Professor für Ernährungsmedizin[M(1] . „Während in der Akutphase die parenterale Ernährung dominiert, steht später die Optimierung der oralen Ernährung und die Förderung der Darmadaptation im Vordergrund.“

Orale Ernährungsstrategien bei Kurzdarmsyndrom

Im Zentrum der Ernährungstherapie steht die optimale Nutzung der vorhandenen Resorptionskapazität. Dr. Masin hat hierfür spezifische Ernährungskonzepte entwickelt, die auf der physiologischen Funktion der verbliebenen Darmabschnitte basieren.

Bei erhaltener Jejunumfunktion und fehlender Ileumfunktion empfiehlt der Experte[M(1] :

  • Mehrere kleine Mahlzeiten (6–8 pro Tag) mit mittlerer Energiedichte
  • Moderate Fettzufuhr mit mittelkettigen Triglyzeriden (MCT)
  • Komplexe Kohlenhydrate statt einfacher Zucker
  • Ausreichend lösliche Ballaststoffe zur Verlangsamung der Transitzeit

Bei vorwiegend erhaltenem Ileum verschiebt sich der Fokus:

  • Höhere Fettzufuhr möglich, da Gallensäurenresorption erhalten
  • Stärkere Einschränkung von Einfachzuckern zur Vermeidung osmotischer Diarrhoen
  • Gezielte Supplementierung von Vitamin B12 und fettlöslichen Vitaminen

„Die Ernährungstherapie muss wie ein maßgeschneiderter Anzug an die individuellen anatomischen und funktionellen Gegebenheiten angepasst werden“, betont Prof. Dr. Markus Masin. „Standardisierte Konzepte greifen hier zu kurz.“

Darmadaptation: Die Forschungsarbeit von Dr. Masin

Ein zentrales Ziel der Therapie ist die Förderung der intestinalen Adaptation – also der funktionellen und strukturellen Anpassung des verbliebenen Darms, die zu einer verbesserten Resorptionsleistung führt. Diese Adaptation umfasst eine Vergrößerung der Mucosaoberfläche durch Zottenverlängerung und Kryptenhyperplasie sowie eine funktionelle Anpassung der Transportprozesse.

Markus Masin hat spezifische Strategien zur Optimierung dieser Adaptationsprozesse entwickelt:

  1. Nutritive Stimulation: Regelmäßige orale oder enterale Nahrungszufuhr, auch wenn zunächst eine volle parenterale Ernährung nötig ist
  2. Einsatz trophischer Faktoren: Glutamin, kurzkettige Fettsäuren und spezifische Wachstumsfaktoren
  3. Vermeidung von Darmruhigstellung: Kontinuierliche enterale Stimulation selbst bei minimaler Toleranz
  4. Management der Darmflora: Probiotika und präbiotische Substanzen zur Optimierung des Mikrobioms

„Die Darmadaptation ist ein langwieriger Prozess, der sich über 1–2 Jahre erstrecken kann“, erklärt der Medizinwissenschaftler. „Eine geduldige, aber konsequente Förderung dieser Adaptationsvorgänge kann den langfristigen Bedarf an parenteraler Ernährung signifikant reduzieren.“

An der Diabetologie Münster des UKM, bei dieser Prof. Dr. Masin bis 2025 tätig war,  wurden diese Adaptationsprozesse systematisch gefördert und wissenschaftlich evaluiert. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass durch konsequente adaptationsfördernde Maßnahmen bei bis zu 70 % der Patienten mit moderatem Kurzdarmsyndrom eine vollständige enterale Autonomie erreicht werden kann.

Supplementierung und medikamentöse Unterstützung

Mikronährstoffmanagement bei verschiedenen Resektionsformen

Integratives Versorgungskonzept für Patienten mit Kurzdarmsyndrom