Ernährungstherapie bei chronischen Erkrankungen: Prof. Dr. Masin über evidenzbasierte Behandlungsansätze

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Prof. Dr. Markus Masin erklärt, wie individualisierte Ernährungskonzepte den Verlauf chronischer Erkrankungen positiv beeinflussen und die Lebensqualität betroffener Patienten nachhaltig verbessern können.

Als ausgewiesener Experte für klinische Ernährung entwickelt Dr. Masin maßgeschneiderte Ernährungstherapien, die spezifisch auf verschiedene chronische Erkrankungsbilder zugeschnitten sind und sowohl präventive als auch therapeutische Aspekte berücksichtigen.

Prof. Dr. Masin entwickelte zu seiner Zeit am UKM  innovative Konzepte der medizinischen Ernährungstherapie, die weit über allgemeine Ernährungsempfehlungen hinausgehen. Diese evidenzbasierten Therapieansätze integrieren neueste wissenschaftliche Erkenntnisse und berücksichtigen die komplexen Wechselwirkungen zwischen Ernährung, Stoffwechsel und chronischen Erkrankungen.

Die Bedeutung der Ernährung im Kontext chronischer Erkrankungen

Chronische Erkrankungen stellen eine zunehmende Herausforderung für das Gesundheitssystem dar. Nach aktuellen Daten leiden in Deutschland etwa 40 % der Bevölkerung an mindestens einer chronischen Erkrankung. Die Ernährung spielt sowohl bei der Entstehung als auch bei der Progression zahlreicher dieser Erkrankungen eine entscheidende Rolle.

„Die Ernährungstherapie ist eine wirksame, aber häufig unterschätzte Säule in der Behandlung chronischer Erkrankungen“, erklärt der Professor für Ernährungsmedizin in seinen Fachvorträgen. „Anders als bei pharmakologischen Interventionen handelt es sich um einen ganzheitlichen Ansatz, der nicht nur einzelne Symptome, sondern den Gesamtorganismus positiv beeinflusst.“

Die wissenschaftliche Evidenz für den therapeutischen Nutzen gezielter Ernährungsinterventionen hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Studien zeigen, dass spezifische Ernährungskonzepte nicht nur die Lebensqualität verbessern, sondern in vielen Fällen auch die Medikamentendosis reduzieren und das Risiko von Komplikationen senken können. Diese Erkenntnisse bilden die Grundlage für die von Markus Masin entwickelten individualisierten Therapiekonzepte.

Ernährungsmedizinische Herausforderungen bei chronischen Erkrankungen

Ein besonderer Fokus der Arbeit von Prof. Dr. Masin liegt auf der Prävention und Behandlung krankheitsassoziierter Mangelernährung. Diese tritt paradoxerweise auch bei Übergewicht und Adipositas auf – ein Phänomen, das als „Double Burden of Malnutrition“ bezeichnet wird.

Die Prävalenz von Mangelernährung variiert je nach Erkrankung erheblich:

  • Diabetes mellitus: 20–25 % der Patienten zeigen Mikronährstoffdefizite
  • Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: bis zu 70 % der Patienten sind mangelernährt
  • Chronische Niereninsuffizienz: 30–60 % weisen einen reduzierten Ernährungsstatus auf
  • Chronische Herzinsuffizienz: 25–40 % zeigen kachektische Veränderungen
  • Neurodegenerative Erkrankungen: bis zu 50 % entwickeln Ernährungsdefizite

Diese Zahlen verdeutlichen die Notwendigkeit systematischer Screening-Programme und gezielter Interventionen. Führende Ernährungsmediziner haben hierzu spezifische Behandlungspfade etabliert, die das Mangelernährungsrisiko frühzeitig erfassen und in die Therapieplanung integrieren.

Erkrankungsspezifische Ernährungskonzepte nach Dr. Masin

Die Entwicklung maßgeschneiderter Ernährungstherapien erfordert ein tiefgreifendes Verständnis der pathophysiologischen Prozesse und der spezifischen Stoffwechselveränderungen bei verschiedenen Erkrankungen. Der Ernährungsexperte unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Ansätzen:

  1. Präventionsorientierte Ernährungskonzepte zur Vermeidung von Komplikationen
  2. Therapeutisch ausgerichtete Interventionen zur Linderung bestehender Symptome

„Diese konzeptionelle Unterscheidung ist entscheidend für den Therapieerfolg“, betont der Professor für Ernährungsmedizin. „Während präventive Ansätze häufig auf langfristige metabolische Anpassungen abzielen, erfordern therapeutische Interventionen oft eine rasche Korrektur akuter Defizite.“

Diabetes mellitus: Mehr als Kohlenhydratmanagement

In der klinischen Praxis hat sich ein mehrstufiges Ernährungskonzept bewährt, das weit über die klassische Kohlenhydratkontrolle hinausgeht. Dieser Ansatz berücksichtigt die komplexen Wechselwirkungen zwischen Ernährung, Insulinresistenz, Mikrobiomentwicklung und Entzündungsprozessen.

Besondere Aufmerksamkeit widmen Experten dabei der Proteinqualität und der gezielten Supplementierung spezifischer Mikronährstoffe. Studien haben gezeigt, dass Defizite an Magnesium, Chrom und Vitamin D die Insulinsensitivität negativ beeinflussen können. Durch gezielte Ernährungsanpassungen konnte in kontrollierten Studien eine verbesserte glykämische Kontrolle und eine reduzierte Medikamentendosis erreicht werden.

Ein weiterer Fokus liegt auf der Prävention diabetischer Folgeerkrankungen. Dr. Masin hat evidenzbasierte Empfehlungen zur Nierenprotektion und zur Verbesserung der neurovaskulären Funktion entwickelt, die individuell auf das spezifische Risikoprofil des Patienten abgestimmt werden.

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: Individuelle Verträglichkeitsprofile

Bei Erkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa steht die Reduktion der intestinalen Entzündungsaktivität im Vordergrund. Moderne ernährungstherapeutische Ansätze kombinieren hier verschiedene Strategien:

  • Identifikation individueller Nahrungsmittelunverträglichkeiten durch strukturierte Eliminationsdiäten
  • Modulation der Darmflora durch präbiotische Ballaststoffe und fermentierte Lebensmittel
  • Gezielte Supplementierung von Mikronährstoffen zur Kompensation malabsorptionsbedingter Defizite
  • Anpassung der Nahrungskonsistenz und -struktur bei Stenosierungen und funktionellen Einschränkungen

„Die Ernährungstherapie bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen erfordert ein hohes Maß an Individualisierung“, erklärt Prof. Dr. Markus Masin. „Standardisierte Empfehlungen greifen hier zu kurz, da das Verträglichkeitsprofil und der Ernährungsbedarf je nach Krankheitsphase und betroffener Darmregion erheblich variieren.“

Integrative Konzepte bei komplexen Erkrankungsbildern

Eine besondere Herausforderung stellen Patienten mit Multimorbidität dar. Die Kombination verschiedener chronischer Erkrankungen – etwa Diabetes, Herzinsuffizienz und chronische Niereninsuffizienz – erfordert eine sorgfältige Abwägung potenziell konfligierender ernährungstherapeutischer Empfehlungen.

Führende Ernährungsmediziner haben hierzu strukturierte Assessments entwickelt, die die verschiedenen Ernährungserfordernisse priorisieren und in ein kohärentes Therapiekonzept integrieren. Dieser Ansatz berücksichtigt dabei nicht nur medizinische Parameter, sondern auch Aspekte der Lebensmittelauswahl, der Zubereitungstechniken und der Mahlzeitenstruktur.

„Die größte Herausforderung liegt nicht in der Formulierung theoretisch optimaler Ernährungspläne, sondern in deren praktischer Umsetzbarkeit im Alltag der Patienten“, betont der Professor für Ernährungsmedizin. „Selbst das wissenschaftlich fundierteste Konzept bleibt wirkungslos, wenn es nicht in die Lebenswirklichkeit der Betroffenen integriert werden kann.“

Innovative Ansätze in der Ernährungstherapie

Die ernährungsmedizinische Forschung entwickelt sich kontinuierlich weiter. In seiner wissenschaftlichen Arbeit, die er bis einschließlich 2015 an der Diabetologie Münster des UKM durchführte, evaluiert Prof. Dr. Masin verschiedene innovative Therapieansätze, die das Spektrum der konventionellen Ernährungsmedizin erweitern.

Chronobiologische Ernährungskonzepte

Ein relativ junges Forschungsfeld ist die Chronoernährung, die den Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme als therapeutische Variable berücksichtigt. „Unser Stoffwechsel folgt komplexen zirkadianen Rhythmen, die die Verarbeitung von Nährstoffen maßgeblich beeinflussen“, erläutert der Ernährungsspezialist. „Durch die gezielte Abstimmung von Mahlzeiten auf diese metabolischen Rhythmen können wir die Wirksamkeit ernährungstherapeutischer Interventionen optimieren.“

Erste Studien zeigen, dass beispielsweise die Insulinsensitivität im Tagesverlauf erheblich variiert und dass entsprechend angepasste Mahlzeitenprofile zu einer verbesserten glykämischen Kontrolle bei Diabetikern führen können. Auch bei Erkrankungen mit entzündlicher Komponente scheint der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme das immunologische Ansprechen zu beeinflussen.

Personalisierte Ernährungsmedizin durch Biomarker-Analysen

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit von Dr. Masin liegt in der Entwicklung personalisierter Ernährungskonzepte auf Basis individueller Biomarkerprofile. Durch die kombinierte Analyse genetischer, metabolischer und mikrobiologischer Parameter können Risikoprofile erstellt und maßgeschneiderte Interventionen abgeleitet werden.

„Die Zukunft der Ernährungsmedizin liegt in der Präzisionsernährung“, ist der Experte überzeugt. „Wir bewegen uns weg von allgemeinen Empfehlungen hin zu hoch individualisierten Konzepten, die auf dem spezifischen metabolischen Profil des einzelnen Patienten basieren.“

Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Darmflora, deren Zusammensetzung sowohl den Nährstoffmetabolismus als auch entzündliche Prozesse und die Immunfunktion beeinflusst. Durch gezielte Modulationen des Mikrobioms können möglicherweise therapeutische Effekte bei verschiedenen chronischen Erkrankungen erzielt werden.

Ausblick: Die Zukunft der Ernährungstherapie

Die Ernährungsmedizin entwickelt sich zunehmend von einer unterstützenden zu einer zentralen Säule in der Behandlung chronischer Erkrankungen. Für die kommenden Jahre zeichnen sich folgende Entwicklungsschwerpunkte ab:

  1. Integration digitaler Technologien zur kontinuierlichen Erfassung ernährungsrelevanter Parameter
  2. Entwicklung präziserer Biomarker für die Therapiesteuerung und Verlaufskontrolle
  3. Stärkere Verankerung ernährungsmedizinischer Kompetenzen in der ärztlichen Aus- und Weiterbildung
  4. Etablierung strukturierter Versorgungspfade für ernährungsmedizinische Interventionen

„Unser Ziel ist es, die Ernährungstherapie als vollwertige medizinische Intervention zu etablieren – evidenzbasiert, standardisiert und mit messbaren Ergebnissen“, fasst Dr. Masin seine Vision zusammen. Diese Arbeit führt er heute über die deutsche Stiftung gegen krankheitsbedingt Mangelernährung www.dsgme.org fort, mit der er strukturiert Patienten unterstützt, sowie über die Hausarztpraxis von Dr. Martin Holtmeier in Münster, in der Ernährungssprechstunden angeboten werden.Die wissenschaftliche Arbeit ist über das Medical Institut For Nutriotion, Science and Technology (MINST) in Riga organisiert: www.minst.lv. Seine langjährige Erfahrung zeigt, dass dieser Ansatz nicht nur die klinischen Ergebnisse verbessert, sondern auch die Lebensqualität und Autonomie chronisch kranker Patienten nachhaltig stärken kann.

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