Dr. Masin erläutert, wann und wie künstliche Ernährungsformen eingesetzt werden sollten und welche Fortschritte die moderne Medizin in diesem Bereich erzielt hat.
Als anerkannter Experte für klinische Ernährungsmedizin setzt Prof. Dr. Markus Masin auf differenzierte Konzepte der enteralen und parenteralen Ernährung, die individuell an die spezifischen Bedürfnisse und die zugrundeliegende Erkrankung angepasst werden.[Meldung]
Prof. Dr. Masin, ehemalig tätig an der Diabetologie Münster des UKMs, entwickelt innovative Ansätze der künstlichen Ernährung, die weit über die bloße Nährstoffzufuhr hinausgehen. Durch die Integration pharmakologischer und immunmodulatorischer Komponenten werden nicht nur Mangelzustände behoben, sondern auch gezielt therapeutische Effekte erzielt.
Inhaltsverzeichnis
Künstliche Ernährung: Medizinische Notwendigkeit und therapeutische Chance
Wenn die normale Nahrungsaufnahme nicht ausreicht oder unmöglich ist, werden enterale und parenterale Ernährungsformen zu lebenserhaltenden Maßnahmen. Etwa 5–10 % aller Krankenhauspatienten in Deutschland benötigen während ihres Aufenthalts eine Form der künstlichen Ernährung. Auf Intensivstationen steigt dieser Anteil auf bis zu 40 %.
„Künstliche Ernährung ist weit mehr als eine reine Überbrückungsmaßnahme“, erklärt der Ernährungsexperte in seinen Fachvorträgen. „Mit modernen, individuell angepassten Konzepten können wir aktiv in pathophysiologische Prozesse eingreifen und den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.“
Dabei gilt ein klares Stufenprinzip: Die enterale Ernährung über den Magen-Darm-Trakt sollte immer bevorzugt werden, sofern dieser funktionsfähig ist. Nur wenn dies nicht möglich ist oder nicht ausreicht, kommt die parenterale Ernährung über den Blutkreislauf zum Einsatz. Dieses Prinzip folgt der physiologischen Logik, dass der Darm als wichtiges Stoffwechsel- und Immunorgan erhalten und funktionsfähig bleiben sollte.
Die Entscheidung für die geeignete Ernährungsform basiert auf einer differenzierten Diagnostik, die sowohl den Ernährungszustand als auch die zugrundeliegende Erkrankung und deren Auswirkungen auf die Nährstoffverwertung berücksichtigt.
Indikationen für künstliche Ernährungsformen
Die Indikationsstellung für enterale oder parenterale Ernährung erfordert eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung. Prof. Dr. Markus Masin hat hierfür spezifische Entscheidungsalgorithmen entwickelt, die folgende Hauptindikationen berücksichtigen:
- Unmöglichkeit der oralen Nahrungsaufnahme (z. B. bei Bewusstlosigkeit, Schluckstörungen, obstruierenden Tumoren)
- Erhöhter Nährstoffbedarf, der oral nicht gedeckt werden kann (z. B. bei Polytrauma, Sepsis, ausgedehnten Verbrennungen)
- Malabsorptive Zustände (z. B. bei Kurzdarmsyndrom, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen)
- Therapieinduzierte Ernährungsprobleme (z. B. durch Chemotherapie, Bestrahlung
Die Entscheidung für die geeignete Ernährungsform erfolgt nicht nur nach medizinischen, sondern auch nach ethischen Gesichtspunkten. „Besonders bei Patienten in palliativen Situationen muss die Lebensqualität im Vordergrund stehen“, betont der Professor für Ernährungsmedizin. „Hier gilt es, einen verantwortungsvollen Mittelweg zwischen medizinisch Machbarem und individuell Sinnvollem zu finden.“
Moderne Konzepte der enteralen Ernährung nach Prof. Dr. Markus Masin
Die enterale Ernährung hat in den letzten Jahrzehnten eine beeindruckende Entwicklung durchlaufen. Von einfachen Nährlösungen hat sie sich zu hochdifferenzierten, krankheitsspezifischen Formulierungen weiterentwickelt, die gezielt therapeutische Effekte erzielen können.
An spezialisierten Zentren werden verschiedene enterale Ernährungsstrategien eingesetzt, die jeweils auf spezifische Patientengruppen zugeschnitten sind. Dabei unterscheidet man grundsätzlich zwischen drei Konzepten:
- Standardformulierungen zur Deckung des Grundbedarfs
- Krankheitsspezifische Spezialnahrungen mit angepasstem Nährstoffprofil
- Pharmakologisch wirksame Immunonutrition mit bioaktiven Substanzen
Zugangswege und technische Aspekte
Die Wahl des geeigneten Zugangsweges für die enterale Ernährung hängt von der voraussichtlichen Therapiedauer und der individuellen klinischen Situation ab. Markus Masin folgt dabei einem stufenweisen Vorgehen:
Bei kurzzeitiger enteraler Ernährung (bis zu 4 Wochen) kommen nasogastrale oder nasoduodenale Sonden zum Einsatz. Für längerfristige enterale Ernährung werden endoskopisch oder chirurgisch angelegte Zugänge bevorzugt, wie die perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) oder die perkutane endoskopische Jejunostomie (PEJ).
„Die Wahl des optimalen Zugangsweges ist entscheidend für die Akzeptanz und Komplikationsrate der enteralen Ernährung“, erläutert der Experte. „Eine sorgfältige Abwägung verschiedener Faktoren – von der anatomischen Situation bis hin zu den Patientenpräferenzen – ist hierfür unerlässlich.“
Spezielle Ernährungskonzepte für komplexe Krankheitsbilder
Bei komplexen metabolischen Situationen werden maßgeschneiderte Ernährungskonzepte benötigt. Dr. Masin hat auf diesem Gebiet wegweisende Arbeiten veröffentlicht, insbesondere zur Immunonutrition bei kritisch Kranken, zu diabetesadaptierten Formulierungen und zu nierenfunktionsadaptierten Konzepten.
Durch die gezielte Anreicherung enteraler Formulierungen mit Arginin, Omega-3-Fettsäuren, Nukleotiden und Antioxidantien können immunmodulatorische Effekte erzielt werden. Studien zeigen eine Reduktion infektiöser Komplikationen und verkürzter Krankenhausaufenthalte bei bestimmten Patientengruppen.
Für Patienten mit Diabetes mellitus wurden spezielle Formulierungen mit modifizierter Kohlenhydratzusammensetzung entwickelt, die die glykämische Kontrolle verbessern und den Insulinbedarf reduzieren können. Bei eingeschränkter Nierenfunktion kommen Formulierungen mit angepasstem Elektrolyt- und Proteingehalt zum Einsatz.
Parenterale Ernährung: Hoch spezialisierte Therapieform
Wenn der Magen-Darm-Trakt nicht oder nicht ausreichend genutzt werden kann, ist die parenterale Ernährung die Methode der Wahl. Bei dieser anspruchsvollen Therapieform werden Nährstoffe direkt in den Blutkreislauf appliziert, was besondere Anforderungen an Zusammensetzung, Applikationstechnik und Überwachung stellt.
„Die parenterale Ernährung umgeht die natürlichen Barriere- und Regulationsmechanismen des Gastrointestinaltrakts“, erklärt Prof. Dr. Markus Masin. „Dies erfordert ein hohes Maß an Präzision bei der Zusammensetzung und ein engmaschiges Monitoring, um metabolische Komplikationen zu vermeiden.“
Individualisierung parenteraler Ernährungslösungen
Moderne parenterale Ernährungslösungen werden individuell nach dem spezifischen Bedarf des Patienten zusammengestellt. Der Professor für Ernährungsmedizin berücksichtigt dabei zahlreiche Parameter wie Grundumsatz und krankheitsbedingten Mehrbedarf, Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt, Säure-Basen-Status und Organfunktionen.
In spezialisierten Zentren wie der Diabetologie Münster des UKM, bei welcher Prof. Dr. Masin bis 2015 tätig war, werden computergestützte Berechnungsmodelle eingesetzt, die eine präzise Anpassung der Nährstoffzusammensetzung ermöglichen und potenzielle Inkompatibilitäten zwischen verschiedenen Komponenten identifizieren.
Gefäßzugänge für die parenterale Therapie
Die Wahl des geeigneten Gefäßzugangs ist entscheidend für die Sicherheit und den Erfolg der parenteralen Ernährung. Bei der peripheren parenteralen Ernährung können nur Lösungen mit begrenzter Osmolarität verabreicht werden. Diese Methode eignet sich für kurzzeitige Supplementierungen, nicht jedoch für eine vollständige Ernährung über längere Zeiträume.
Für die zentralvenöse parenterale Ernährung werden Zugänge zu zentralen Venen wie der V. subclavia oder V. jugularis interna gelegt. Für die langfristige Therapie werden getunnelte Katheter oder implantierbare Portsysteme bevorzugt, die das Infektionsrisiko reduzieren und den Patientenkomfort erhöhen.
„Ein strukturiertes Kathetermanagement mit standardisierten Pflege- und Überwachungsprotokollen ist unerlässlich, um katheterassoziierte Komplikationen zu minimieren“, betont der Professor für Ernährungsmedizin.
Home Artificial Nutrition: Künstliche Ernährung im ambulanten Setting
Ein zunehmendes Anwendungsgebiet für enterale und parenterale Ernährung ist die häusliche Umgebung. Die sogenannte Home Artificial Nutrition ermöglicht es Patienten mit langfristigem Ernährungsbedarf, in ihr gewohntes Umfeld zurückzukehren und gleichzeitig eine optimale Ernährungstherapie zu erhalten.
An führenden Zentren wurde ein strukturiertes Übergangsmanagement entwickelt, das umfassende Schulungsprogramme für Patienten und Angehörige, klare Verantwortungszuweisungen im ambulanten Betreuungsteam und standardisierte Überwachungsprotokolle umfasst.
Durch dieses integrierte Konzept konnte die Rate ernährungsbedingter Komplikationen deutlich reduziert und die Lebensqualität der Patienten signifikant verbessert werden.
Ausblick: Entwicklungsperspektiven in der künstlichen Ernährung
Die künstliche Ernährung entwickelt sich kontinuierlich weiter. Aktuelle Forschungsschwerpunkte umfassen die Entwicklung neuer bioaktiver Substanzen mit spezifischen pharmakologischen Wirkungen, die Optimierung der Nährstoffzusammensetzung auf Basis pharmakogenetischer Profile und die Integration digitaler Monitoringsysteme für eine präzisere Therapiesteuerung.
„Die Zukunft der künstlichen Ernährung liegt in der Präzisionsmedizin“, fasst Dr. Masin seine Vision zusammen. „Je genauer wir Ernährungstherapien auf individuelle metabolische Profile abstimmen können, desto wirksamer werden unsere Interventionen sein.“
Die enterale und parenterale Ernährung haben sich von reinen Substitutionstherapien zu hochdifferenzierten medizinischen Interventionen entwickelt, die gezielt in pathophysiologische Prozesse eingreifen können. Mit dieser Entwicklung verbunden ist die Verantwortung, diese potenten Therapieformen evidenzbasiert und unter sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung einzusetzen.
Diese Arbeit führt er heute über die deutsche Stiftung gegen krankheitsbedingt Mangelernährung www.dsgme.org fort, mit der er strukturiert Patienten unterstützt, sowie über die Hausarztpraxis von Dr. Martin Holtmeier in Münster, in der Ernährungssprechstunden angeboten werden.Die wissenschaftliche Arbeit ist über das Medical Institut For Nutriotion, Science and Technology (MINST) in Riga organisiert: www.minst.lv.